Zum Inhalt [I]
Zur Navigation [N]
Kontakt [C] Aktuelles [2] Suchfunktion [4]

Impuls zum 21. September 2025

Zum 25. Sonntag im Jahreskreis

Von Albert Hohmann (Föhren), pax christi Trier

Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen
Die beiden Sonntagsperikopen sprechen davon, dass die Wirtschaftssysteme das Gottesverhältnis tangieren.

Amos 8, 4-7
4 Hört dieses Wort, die ihr die Armen verfolgt / und die Gebeugten im Land unterdrückt! 5 Ihr sagt: Wann ist das Neumondfest vorbei, dass wir Getreide verkaufen, / und der Sabbat, dass wir den Kornspeicher öffnen können? Wir wollen das Hohlmaß kleiner und das Silbergewicht größer machen, / wir fälschen die Waage zum Betrug, 6 um für Geld die Geringen zu kaufen / und den Armen wegen eines Paars Sandalen. / Sogar den Abfall des Getreides machen wir zu Geld. 7 Beim Stolz Jakobs hat der HERR geschworen: / Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen.

Die Tora ist Garant des Schalom
In der Regierungszeit von König Jerobeam II in der Mitte des achten Jahrhunderts vor Christus gab es eine wirtschaftliche Blütezeit. Das Königshaus und reiche Grundherren setzten auf internationalen Handel. Das führte allerdings für einen Teil der Bevölkerung zu Verarmungsprozessen. Der Prophet Amos kritisierte neben der der dortigen Kultpraxis vor allem diese sozialen Verhältnisse. Die Maßstäbe des Gottesrechtes wurden unterlaufen. Königshof und Oberschicht waren darauf aus, ihren Besitz und ihren Reichtum zu mehren, wobei sie nicht vor Betrug zurück-scheuten. Amos sagt, selbst die Feiertage seien ihnen eine lästige Unterbrechung für die Gewinnmaximierung. Das bedeutete gleichzeitig, dass die Armen verfolgt und unterdrückt wurden. Ihre wirtschaftliche Not führte in Abhängigkeit und Sklaverei.

Die Kritik der Propheten wurde schließlich in Vorschriften der Tora verankert. Das Volk Israel verdankt sich der Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens. Verhalten, das der Tora, den Weisungen des HERRN, entsprach, würde es Israel ermöglichen, diese Freiheit zu erhalten, in Gerechtigkeit und Gleichheit, im Schalom zu leben.
Die Tora berücksichtigt dem entsprechend die Situation der Armen, indem sie Möglichkeiten zur Nahrungsbeschaffung vorsieht (z.B. Ährenlesen auf abgeernteten Feldern). Deutlich sind auch ihre Vorstellungen, wie die prekären Verhältnisse, die sich aus dem Wirtschaften ergeben, zu überwinden sind. Die ursprünglichen Verhältnisse der Gleichheit sollten im Sabbatjahr teilweise und im Jobeljahr wieder vollständig hergestellt werden.

Psalm 113
5 Wer ist wie der HERR, unser Gott, der wohnt in der Höhe,
6 der hinabschaut in die Tiefe, auf Himmel und Erde?
7 Den Geringen richtet er auf aus dem Staub, aus dem Schmutz erhebt er den Armen,
8 um ihn wohnen zu lassen bei den Fürsten, bei den Fürsten seines Volks.

Lukas 16, 1-13
1 Jesus sprach aber auch zu den Jüngern: Ein reicher Mann hatte einen Verwalter (Dieter Pauly nennt ihn Geschäftsführer). Diesen beschuldigte man bei ihm, er verschleudere sein Vermögen. 2 Darauf ließ er ihn rufen und sagte zu ihm: Was höre ich über dich? Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung (Geschäftsführung)! Denn du kannst nicht länger mein Verwalter (Geschäftsführer) sein. 3 Da überlegte der Verwalter: Was soll ich jetzt tun, da mein Herr mir die Verwaltung entzieht? Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht und zu betteln schäme ich mich. 4 Ich weiß, was ich tun werde, damit mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin. 5 Und er ließ die Schuldner seines Herrn, einen nach dem anderen, zu sich kommen und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? 6 Er antwortete: Hundert Fass Öl. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich schnell hin und schreib fünfzig![1] 7 Dann fragte er einen andern: Wie viel bist du schuldig? Der antwortete: Hundert Sack Weizen. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig! 8 Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter (Geschäftsführer der Ungerechtigkeit), weil er klug gehandelt hatte, und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. 9 Ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon (der Ungerechtigkeit), damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es zu Ende geht! 10 Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen, und wer bei den kleinsten Dingen Unrecht tut, der tut es auch bei den großen. 11 Wenn ihr nun im Umgang mit dem ungerechten Mammon nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das wahre Gut anvertrauen? 12 Und wenn ihr im Umgang mit dem fremden Gut nicht zuverlässig gewesen seid, wer wird euch dann das Eure geben? 13 Kein Sklave kann zwei Herren dienen; er wird entweder den einen hassen und den andern lieben oder er wird zu dem einen halten und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.

Der Ökonom der Ungerechtigkeit
Der reiche Mann - ein Exemplar für der ganzen Gattung reicher Männer - kann seine Geschäfte nicht mehr selber führen, weil sein Besitz allzu groß ist. Sicherlich muss er auch in der Stadt lobbyistisch für seine Interessen tätig sein. Er hat einen Geschäftsführer bestellt, der in seinem Namen alles Notwendige für seinen Besitz regelt. Dieser wird angeklagt, er verschleudere das Vermögen seines Herrn, wobei unklar bleibt, wie das geschieht. Er muss nicht zwangsläufig ein Betrüger gewesen sein. Die Kennzeichnung, er sei ungerecht gewesen, bedeutet nicht eine persönliche Eigenschaft sondern eher, dass er in einem System der Ungerechtigkeit gehandelt hat.
Um den befürchteten Schaden abzuwenden und für seine Zukunft zu sorgen, gewährt er Schuldnern seines Herrn Nachlass der Schulden, wozu er als Geschäftsführer rechtlich in der Lage war. Man muss davon ausgehen, dass die Schuldscheine in Naturalien ausgestellt wurden, weil auf diese Weise, das Zinsverbot der Tora unterlaufen wurde. Das Zinsverbot hatte seine Berechtigung, um Verschuldung zu vermeiden, die oft der erste Schritt in die Versklavung , in die Unfreiheit war. Der gewährte Nachlass bedeutet, das die versteckten aber überdimensionalen Zinsen (bei Öl 100% Zinsen), praktisch Wucher, von Schuldscheinen getilgt werden, das Gebot der Tora zum Tragen kommt. Die Klugheit des Geschäftsführers besteht  darin, dass er im System der Ungerechtigkeit, dem Mammon – man muss Mammon nicht sofort mit Geld übersetzen – der Tora Relevanz verleiht und gleichzeitig für seine Zukunft sorgt.

Dem Gleichnis folgen im Lukasevangelium noch verschiedene Zusätze zum Thema:
  • Die Klugheit des Verwalters kann zum Beispiel für die Kinder des Lichtes, die Jünger usw. werden. Sie könnten im System der Ungerechtigkeit so handeln, dass sie Gutes verwirklichen, dass sie den Willen Gottes erfüllen. Das würde ihnen am Ende des Lebens zu Gute kommen.
  • Im Handeln der Menschen wird von ihnen Zuverlässigkeit erwartet. Das kann sich auf die kleinen Dinge beziehen, auf den Umgang mit fremden Gütern oder auch auf das Handeln im System des Mammons. Wer sich so bewährt, dem wird mehr anvertraut.
  • Letztlich gilt, dass das System des Mammons der Ungerechtigkeit und das der Herrschaft Gottes sich nicht vertragen. Wer im System der Ungerechtigkeit lebt, muss aufpassen, dass er nicht sein Herz daran hängt, dass er nicht dem Mammon dient.

Im Kapitalismus zu Hause
Unser kapitalistisches System ist ein System der Ungerechtigkeit. Das lässt sich an allen Ecken und Enden nachvollziehen, besonders an den Dimensionen der Armut und des Reichtums. Dazu einige Beispiele:

  • „Wachsende Anteile der globalen Infrastruktur werden von profitorientierten Konzernen gekauft. Ihre Aufgabe der Versorgung der Öffentlichkeit mit lebensnotwendigen Gütern wie Strom, Wasser oder Gas wird so zweitrangig. Sie wird den Renditeerwartungen ihrer Investoren und dem Profitzwang unterworfen. Das gefährdet die Lebensgrundlage unzähliger Menschen, vor allem der unteren Klassen. Die Profite der privaten Konzerne und der damit einhergehende Strompreis treiben zahlreiche Menschen in die (Energie-) Armut.“
  • In dem Buch „Ganz unten im System“ heißt es zu den Arbeitsbedingungen in der Logistikbranche in Hinblick auf letztere: „Um die Fahrer gefügig zu machen, arbeiten viele Firmenchefs mit Druck. Feuern diejenigen, die sich beschweren, drohen mit Abschiebung, nehmen Fahrern die Papiere ab. Mitunter halten sie auch einen Teil des Lohnes zurück, damit diese nicht genug Geld haben, um in die Heimat zu fahren – aus Angst, sie könnten nicht zurückkehren. Mitunter drohen die Chefs auch mit Gewalt.“
  • „Eine überraschende Betriebsschließung, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie Beziehungskrisen, Ehekonflikte und Suchterkrankungen sind zwar Auslöser, nicht jedoch Ursachen der Obdachlosigkeit. Diese sind zu finden in den bestehenden Gesellschaftsstrukturen, den herrschenden Eigentumsverhältnissen und sich häufenden sozioökonomischen Krisenerscheinungen. Nirgendwo versagt das kapitalistische Wirtschaftssystem so eklatant wie bei der Wohnraumversorgung.“ Unter den Wohnungslosen finden sich über 10%, die eine Arbeit haben.
  • Unter der aktuellen Regierung soll am Bürgergeld massiv gespart werden.
  • Der britische Guardian titelte neulich so: „Die fünf reichsten Männer der Welt verdoppeln ihr Vermögen, während die Ärmsten immer ärmer werden.“ Ein einziges Prozent aller Menschen verfügt über 43 Prozent des globalen Gesamtvermögens.
  • In Deutschland werden Geringverdienende im Vergleich zu jenen, denen es besser geht, kaum entlastet – und das ist im EU-Vergleich anders.

Es wird auf vielfache Weise deutlich, wie ein System Ungerechtigkeit und Freiheitsverluste auslöst. Die Tora war in der Geschichte Israels eine Antwort auf derartige Tendenzen. Auch wenn diese in unserer Gesellschaft nicht als Maßstab anerkannt wird, könnten ihre Ziele von Bedeutung sein. Es ist sinnvoll, für die Armen zu sorgen, Ausbeutung und Versklavung aufzuheben, gerechte Entlohnung zu gewährleisten usw.. Gesellschaftliche Partizipation und demokratische Teilhabe würden so gefördert, Leben in Würde und in Freiheit ermöglicht.

Gott oder Mammon
Menschen geschaffene Systeme fordern häufig von diesen Anerkennung, Zustimmung und letztlich Verehrung. Walter Benjamin spricht davon, dass unser kapitalistisches System sich als Religion präsentiert. Arbeit, Verwertung und Geld sind seine Fetische. Diese Götzen fordern neben Anerkennung auch Opfer. Die an den Ausgegrenzten und der Zustand der Erde sind Dokumente dieser zerstörerischen Ausrichtung.

Nicht nur die Marginalisierten sind betroffen, sondern auch die Nutznießer. Der ehemalige Millionär Sebastian Klein, der einen größten Teil seines Vermögens in eine soziale Stiftung gegeben hat, bekennt: „Viel Geld macht einsam. Mich hat es ein Stück weit entkoppelt von der Welt. Viele Reiche berichten von ihrem Misstrauen, dass ihre Mitmenschen doch nur ihr Geld haben wollten. Man beschäftigt sich ständig mit Geld, mit Materiellem.“ Und weiter: „Geld kann wie Gift wirken. Es kann Beziehungen zerstören, zu Machtmissbrauch verführen und eine Dynamik schüren, die Gesellschaft und Natur zerstört. Überreichtum ist eine der größten Gefahren unserer Zeit. Ich bin in einer Welt des totalen Wettbewerbs gelandet, in der maximale Ausbeutung und maximale Selbstausbeutung herrscht.“

Wir leben in einer Welt des Mammons, das System der Ungerechtigkeit, der Kapitalismus umschließt uns. Wir bewegen uns in ihm, wenn wir eine Arbeitsstelle annehmen, wenn wir einkaufen oder ein Sparkonto einrichten, selbst, wenn wir Urlaub machen. Auch wenn unmittelbar kein Ausweg zu finden ist, heißt das bei der Alternative Gott oder Mammon, diesem zu widersprechen.

Gefangen im System der Ungerechtigkeit bleiben uns dennoch Möglichkeiten im „Kleinen“, wir können ausgegrenzten Menschen in ihrer Not beistehen, ihnen Würde geben, ihr Nächster werden. Auch wenn das nur begrenzt hilft, gilt Barmherzigkeit  als christliche Grundtugend. Gott steht auf der Seite der Armen und der Leidenden, wir können auf seine Seite wechseln.

Zwischenruf – Martin Buber
Wir können nur mit Gott reden, wenn wir unsere Arme, so gut wir können, um die Welt legen, das heißt, wenn wir Gottes Wahrheit - und Gerechtigkeit – in alles hineinlegen.
Neue Zeit – Wilhelm Bruners
Nimm die neue Zeit ins Gebet - sie hat es nötig
Keineswegs sind die herrschenden Götzen menschlicher als der alte Gott vom Sinai
Immerhin sagt ER – in nur zehn Worten – wo´s lang geht. Und wenn er Unrecht sieht lässt es IHN nicht kalt
Denke ich an IHN hasse ich meine Gleichgültigkeit und das Gerede von den Marktgesetzen
Vor den alltäglichen Nachrichten lese ich sein unerhörtes Wort von der Solidarität mit den Hilflosen
Und ich erinnere mich an das Brot in der Wüste
das für jeden Tag

Segen
Gott segne unsere Augen, damit wir hinter die Kulissen schauen.              
Er segne unsere Ohren, damit wir das Schreien der Elenden und der Erde hören.       
Er segne unseren Mund, damit wir den Götzen unserer Zeit widersagen.    
Er segne unsere Hände, damit wir aufrichten und zusammenführen.